Denkmäler

Am 7. April um 7 Uhr traten in Buchenwald zwei Gruppen zu 1.500 und 1.604 überwiegend jüdischen Häftlingen gemeinsam den Fußmarsch nach Flossenbürg in Bayern an. Sie bekamen jeweils für drei Tage Proviant mit. Welchen Weg sie im Einzelnen gingen, ist nicht genau zu sagen, aber in Pößneck, wo bereits 15 Tote zu beklagen waren, trennten sie sich. Eine der Gruppen ging über Wernburg (11 Tote) – Moxa – Paska (4 Tote) –Ziegenrück (3 Tote) – Liebschütz/Liebengrün (2 Tote) – Remptendorf (4 Tote) – Friesau (3 Tote) – Ebersdorf (12 Tote) – Schönbrunn – Lobenstein (1 Toter) – Lemnitzhammer/Harra (7 Tote) – Blankenstein nach Bayern.

Uns interessiert vor allem die andere Gruppe, die von 79 Wachmännern unter SS-Oberscharführer Reihnhardt beaufsichtigt wurde. Sie ging über Oppurg (6 Tote) – Oberoppurg (11 Tote) – Daumitsch (12 Tote) – Knau (10 Tote) – Finkenmühle – Volkmannsdorf (5 Tote) – Crispendorf (5 Tote) – Möschlitz (63 Tote) – nach Gräfenwarth und übernachtete in der Scheune des Bauern Elschner (Schafwiesenweg 13, heute Giegling). Er wurde von der damaligen Dorfbehörde dazu bestimmt, weil er sich zum politischen Geschehen neutral verhielt und aus seiner Haltung keinen Hehl machte. In einer Schülerarbeit aus den Sechzigerjahren ist darüber zu lesen:

„In der Nacht vom 11. Zum 12. April können die Bauersleute nicht schlafen. Sie hören die ganze Nacht hindurch ein dumpfes Rumoren und Wimmern aus der Scheune. Von den 70 SS-Leuten, die den Zug begleiten, schlafen etwa 20 im Haus, die anderen halten abwechselnd Wache. Am Morgen reparieren sie einige der Karren. Danach öffnen sie das Scheunentor. Die Häftlinge müssen sich an den Händen fassen und in Viererreihen die Scheune im Laufschritt verlassen. Zu beiden Seiten des Tores stehen lettische SS-Leute in schwarzer Uniform mit Knüppeln. Mit diesen schlagen sie im Takt auf die wehrlosen Menschen ein – jede Reihe ein Schlag. Auf diese Weise zählen sie die Reihen und stellen so die Zahl der Häftlinge fest. Ihnen fällt auf, dass eine Reihe fehlt. Sie nehmen aber an, dass sie sich in der Eile verzählt haben. Sicherheitshalber gehen sie noch einmal in die Scheune, um nachzusehen. Dabei entdecken sie einen Häftling unter eine Worfelmaschine. Sie ziehen diesen unter der Maschine hervor, schleppen ihn zum nahe gelegenen Kiesbruch und erschießen ihn dort. Nachdem die Häftlinge in Vierrerreihen angetreten sind, setzt sich der Zug am 23. April um 10 Uhr vormittags in Bewegung. Es dauert nicht lange und der Kommandant der Wachmannschaft kehrt mit einigen Hunden zum Gehöft zurück, wo er nach drei versteckten Häftlingen sucht. Die Hunde können jedoch keine Witterung aufnehmen, da der Scheune noch die Ausdünstungen der vielen Häftlinge anhaftete. So muß er unverrichteter Dinge wieder abziehen.“

Nach Erzählungen, die Heidrun Schönfeld von ihrer Mutter hörte, zog der Marsch am Gräfenwarther Dorfteich vorbei und folgte der Hauptstraße in Richtung Saalburg. Siegfried Stumpf sah die Häftlinge aus seinem Elternhaus in Kloster aus Richtung der Steinrose nach Saalburg laufen. Sie hätten die ganze Straße eingenommen und einen sehr langen Zug gebildet. Tatsächlich müssen es um die 1.500 Menschen gewesen sein, also mehr, als Saalburg Einwohner hatte!

Hartmut Weber aus Kulm sah auf der gegenüber seinem damaligen Wohnhaus Kulm 21 gelegenen Wolframswiese eine Gruppe KZ-Häftlinge lagern. Wie sie dorthin gelangten, kann derzeit nicht sicher gesagt werden. Es ist nur zu vermuten, dass es sich um eine Splittergruppe des Marschs aus Buchenwald handelte.

Der damals sechsjährige Günther Schmidt beobachtete, wie die Häftlinge am späten Vormittag oder Mittag „die Schanz rauf“ kamen (die steil ansteigende Verbindung zwischen Schleizer Straße „Kanis-Kreuzung“) und durfte sie ein Stück begleiten. Laut seiner Aussage waren die Wachmänner sehr jung und behandelten die Häftlinge äußerst grob. Sie hatten einen Handwagen dabei, auf dem Menschen gezogen wurden, die nicht mehr laufen konnten. Was es mit diesem Wagen auf sich hatte erklärte der jüdische Überlebende des Marsches Leon Kamerfuks am 12. Oktober 1945:

„Das traurige Ende des Zuges war der Totenwagen, welcher von 8 Häftlingen gezogen wurde. Wer nicht mehr gehen konnte, wurde auf diesen Wagen gebracht und bis zum nächsten Wald gefahren, um dann erschossen zu werden“.

Einer Saalburgerin, die Wasser spenden wollte, schlug ein Wachmann auf die Kanne. Laut Ingrid Greiner wurde auch Selma Kögler, Ida Knoch und Elfriede Drechsel von den Bewachern untersagt, den an der Kanis-Kreuzung rastenden Häftlingen Lebensmittel zu geben.

Einige Meter weiter sah Horst Wesche (Jahrgang 1938) Folgendes:

„Von meiner Stube Ehrenhain 2, drei Meter oberhalb der Straße, hatte ich einen guten Blick auf den sechs Meter entfernten Gehweg. Ich sah menschliche Gestalten, die durch SS-Soldaten mit Hunden am Gartenzaun vorbei Richtung Dr.-Karl-Rauch Straße getrieben wurden.“

Am Schützenhaus (heute Seeblick) wurden Günther Schmidt und seine Freunde von der Wachmannschaft „fortgejagt“ – vermutlich, weil kurz danach die Erschießungen begannen. Das kann aus der Aussage des Schumacherlehrlings Alfred Müller geschlossen werden. Er hatte gerade reparierte Schuhe zu Kunden auf den Hatzenberg geschafft. Im Wald beim Schützenhaus musste er mitansehen, wie einem Mann in gestreifter Kleidung in den Kopf geschossen wurde und dieser zusammenbrach. Die Kolonne zog weiter zum Zweiten Damm und bog rechts in den Saalwald in Richtung Künsdorf ab. Siegfried Stumpf, der später mit dem Fahrrad an den Zweiten Damm fuhr, sah dort einen Toten mit offenem Kopf in einer Blutlache im Straßengraben liegen.

Bei einer Erschießung zwischen Saalburg und Künsdorf gelang es einem polnischen Häftling, seinen Bewachern zu entfliehen. Als sein Nachbar erschossen wurde, stellte er sich tot und wurde durch Zufall von den Wachleuten übersehen. Daraufhin flüchtete in den Wald und wurde von der Saalburger Gendarmerie aufgegriffen. Einer der Gendarmen, Herr Zeisig, nahm ihn mit und versteckte ihn bei sich – das rettete dem Mann das Leben.

Die Leichen entlang des Weges von Saalburg nach Künsdorf mussten an Ort und Stelle von den Leuten des Volkssturms verscharrt werden. Einer von ihnen war der spätere Bürgermeister Karl Schmidt, der die einzelnen Gräber mit Zweigen kenntlich machte. Der Weg der Buchenwaldhäftlinge aus führte sie weiter über Künsdorf, Langgrün, Frössen, Sparnberg und Rudolphstein bis nach Flossenbürg.
 

Ein weiterer Marsch, der durch das Oberland führte, startete Anfang April im Zahnradwerk in Sonneberg, einem Außenlager von Buchenwald. Die Häftlinge sollten ursprünglich auch nach Buchenwald, wurden aber schon nach wenigen Marschtagen nach Lehesten umgeleitet, um den Amerikanern auszuweichen. Nach zwei Übernachtungen gingen sie über Wallenfels, Geroldsgün, Nordhalben nach Neundorf bei Lobenstein, wo sie am 11. April gegen Abend ankamen. Herta Söll aus Neundorf berichtet:

„Es waren etwa 450 Häftlinge in unserer Scheune, die bis unters Dach voll war. Früh [am 12. April] wurden sie dann abtransportiert Es war ein langer Leidenszug.“

Der direkte Weg nach Saalburg, die Bayerische Straße in Lobenstein, war durch den Unfall eines Militärlasters bei der Bäckerei Wild nicht passierbar. Die Kolonne der Häftlinge wurde von Ortsansässigen über Feldwege auf die Wurzbacher Straße geleitet. Karin Hopfe, die dort wohnte, berichtete, ihre Mutter kochte Grießbrei und die Kinder spielten im Hof, als ihnen gesagt wurde, dass Häftlinge aus Richtung Wurzbach kämen. Es wurde gefragt, ob sie irgendwas zu essen hätten. Die Mutter gab Grießbrei in eine Schüssel und ging nach draußen. Die Häftlinge kamen über die Straße und leerten die Schüssel. Dann drohte die SS den Frauen, sie zu erschießen, wenn sie weiter machten.

Unter Umgehung von Ebersdorf gelangte die Kolonne über Zoppoten nach Pöritzsch. Gerald Fröhlich sah die Häftlinge auf der Hauptstraße kommen. Zwei wollten fliehen und hatten sich im Haus seiner Familie versteckt. Die Wachmannschaften zogen sie wieder heraus und schlugen sie. Sein Großvater wollte den Häftlingen Wurst geben. Da ging ein Wachmann dazwischen. Sie wurden von ihren Kameraden mitgeschleppt. Die Kolonne bog in den Weg zum Pöritzscher Ufer ab. Dort an dem steilen Abhang lag dann ein Toter. Der Überlebende des Marschs, Willy Hoffmann aus Gera, schrieb:

„Auf dem Weg nach Saalburg trieben uns Wehrmachtsoffiziere unaufhaltsam vorwärts. Wir waren die letzten Passanten, welche die Brücke über den Stausee überschritten. Hinter uns flog die Brücke und auch die über die Wettera in die Luft.“

Die Brücken wurden erst einen Tag später gesprengt, möglicherweise waren sie aber schon am 12. April gesperrt. Am Nachmittag, also ein paar Stunden später als der Marsch aus Buchenwald, erreichte die Kolonne aus Sonneberg Saalburg. Eine Frau aus Pöritzsch arbeitete damals in der Drogerie in Saalburg und sah die Häftlinge vorbeikommen:

„In Pöritzsch war es damals noch recht ruhig. Viele Leute sagen heute, dass Niemand gewusst hat, dass die Leute kommen, aber das stimmt nicht. Aus anderen Dörfern kamen immer Leute, die haben erzählt, dass sie die Gruppen gesehen haben. Wir wussten nicht sicher, wann die Häftlinge durchkommen. Es gab Gerüchte, die durfte man aber nicht sagen, wenn ein NSDAP-Mitglied in der Nähe war, man wollte ja nicht verhaftet werden. Und als die dann kamen, standen auch einige Saalburger an den Fenstern und manche auf der Straße. Ich hab gearbeitet und bin auch kurz raus. Manche wollten denen Brot geben oder Wasser, aber die Soldaten haben keinen rangelassen. Ich hab gar nichts gefühlt. Ich stand da und hab geguckt. Dann kamen die Soldaten, die die Leute weggeschickt haben. Die haben gesagt, wer denen irgendwas gibt, muss gleich mit. Und die NSDAP-Mitglieder haben die Namen aufgeschrieben, die geguckt haben. Die Häftlinge sahen ramponiert und runtergekommen aus. Die haben gestunken. Manche haben einen Judenstern getragen, andere sahen aus wie Slawen. Die haben kein Wort geredet. Die hatten auch keine Angst, die waren einfach nur kaputt. Als sie dann durch waren, war die Straße wie leergefegt. Wir haben dann gehört, dass welche versucht haben, abzuhauen. Es hätten auch welche geschafft. Aber weit gekommen sind sie nicht. Eine Frau erzählte mir, dass sie bei den Brombeersträuchern einen gefunden hat, der tot war. Sie ist weggerannt und hat auf der Stadt Bescheid gesagt, dann musste sie warten, bis Leute von der SS kamen und sie befragt haben.“

Mit dieser Aussage können die in der Vergangenheit gehegten Zweifel endgültig ausgeräumt werden, dass im Rahmen der Todesmärsche Juden durch Saalburg zogen. Die meisten Teilnehmer des Marsches waren Juden. Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass Juden auch unter den in Saalburg zu Tode gekommenen Opfern sind.

Von Gerda Glaßmann (Jahrgang 1937) war zu erfahren, dass ein Häftling eine Frau, die in der Nähe der Brücke gewohnt hatte, um einen Schluck Wasser bat. Ein Wachmann bedrohte die Frau daraufhin mit seiner Waffe. Ursel Kartheuser geb. Hecklau (Jahrgang 1926) berichtete: Im Ratskeller am Markt, den damals ihre Eltern bewirtschafteten, wurden ein oder zwei Häftlinge des Todesmarschs in den Zellen im Rathaushof eingesperrt. Die Wirtin Alma Hecklau reichte den bedauernswerten Kreaturen heimlich etwas Nahrung. Das galt damals als sehr mutig, denn, so hieß es weiter, „wenn die Nazis das mitgekriegt hätten, hätten sie die Alma gleich mitgenommen“. Renate Hauke (Jahrgang 1920), die am Markt wohnte, berichtete, dass den Saalburgern verboten wurde, die Gardinen zu öffnen und den Marsch aus ihren Fenstern zu beobachten. Die Kolonne zog den Markt hinauf und bog in die Schleizer Straße ab.

Eike Müller-Elschner (Jahrgang 1938) sah allerdings Häftlinge den Strandweg entlang gehen:

„Ich saß zufällig an einem Abend auf der Mauer des Hauses von Tante Emma Strauß oben in der Dr.-Karl-Rauch-Straße und sah, wie sich ein langer Zug von Menschen in Sträflingskleidung vom Kranich kommend auf dem Stausee-Uferweg in Richtung der Stelle bewegte, an der sich heute der Ehrenhain befindet. Sie bogen rechts ab und verschwanden unter Bäumen in der rechten Ecke des Abhangs unterhalb der Straße [wohl Fußweg unterhalb des Hotels Seeblick, T. H.]. Und ich sah auch Menschen, die am Rande des Häftlingstrecks umfielen und von begleitenden Wächtern erschossen oder erschlagen wurden.“

Herr Müller-Elschner schätzt, dass es ca. 80 Häftlinge waren. Wenn sie vom Kranich kamen, müssen es Sonneberger Häftlinge gewesen sein. Warum sie aber in eine andere Richtung abbogen als der Hauptmarsch, ist derzeit unklar.

Am Strandweg muss es einem dieser Häftlinge gelungen sein, sich hinter einem Gebüsch oder am Hang zu verbergen (auf dem Markt wäre dies kaum möglich gewesen). Laut Frau Hauke wurde er von der Drogeriebesitzerin Gertrud Heiner im Haus Markt 41 versteckt und versorgt, bis die Umstände es zuließen, dass er weiterziehen konnte – Frau Hauke behielt das Geheimnis bis 2015 für sich. Leider sind die der Namen der Häftlinge, die von ihr und anderen mutigen Saalburgern gerettet wurden, unbekannt.

Zwischen der heutigen Feuerwehr und der Schanze rastete die Kolonne eine Weile – das sah Brigitte Ryll, geb. Strauß (Jahrgang 1933), damals wohnhaft in der Bahnhofstraße, mit eigenen Augen. Einer der Wachmänner hatte sogar Zeit, nach Ihrer Familie zu suchen, weil sie einige Jahre vorher seine Tochter im Rahmen der Kinderlandverschickung aufgenommen hatten. Nach der Rast ging die Kolonne weiter die Hauptstraße entlang in Richtung Schleiz. Vor Kloster muss es erneut zu Tötungen gekommen sein – Frau Greiner weiß, dass an der Straße bei Kloster Gruben für die Toten ausgehoben wurden, die dort lagen.

In Gräfenwarth bogen die Sonneberger Häftlinge auf den Schafwiesenweg ein und übernachteten wahrscheinlich ebenfalls im Elschner-Hof. Am nächsten Tag zogen sie weiter nach Oberböhmsdorf. Das war aber noch nicht das Ende ihres Leidensweges. Erst am 8. Mai 1945 wurden sie in Prasles in der Nähe von Žlutice in Tschechien von den Amerikanern befreit. Der später vernommene Bewacher Hermann Eichhorn schätzte, dass auf der gesamten Strecke 70 Häftlinge erschossen wurden.
 

Am 8. und 10. Juni wurden die Häftlinge, die auf Saalburger Flur an Entkräftung starben oder von SS Männern ermordet wurden, auf Veranlassung der amerikanischen Besatzungsmacht durch Saalburger NSDAP-Mitglieder exhumiert und eingesargt. Zur Seuchenabwehr überschütteten sie die Leichen mit Chlorkalk, den sie auf Handwagen hinter sich herzogen. Der Saalburger Arzt Schwefler war zugegen, um Erkennungszeichen, wie Häftlingsnummern oder Ähnliches, zu notieren – das Dokument ist leider nicht auffindbar, würde mit den heutigen Mitteln aber helfen, einige der Opfer zu identifizieren. Die Särge trafen am 10. Juni morgens um 6 Uhr im Bootsschuppen am Ersten Damm ein (heute Seglerheim der Uni Jena) und wurden von dort an die betreffenden Stellen gebracht. Insgesamt 56 Särge schaffte man zum Strandpromenadenweg, wo ab 11 Uhr eine Beerdigungszeremonie stattfand, an der alle Saalburger angehalten wurden, teilzunehmen. Für Mitglieder der NSDAP aus Saalburg, Kulm, Wernsdorf, Raila, Künsdorf und Gräfenwarth war die Teilnahme Pflicht. Es spielte die amerikanische Militärkapelle, ein amerikanischer Geistlicher predigte, Bürgermeister Karl Schmidt hielt einen Nachruf. Die Damen der Saalburger NS-Frauenschaft legten Blumen und Kränze nieder. Alfred Müller – einer der letzten noch lebenden Teilnehmer – erinnert sich, dass die amerikanischen Soldaten die Bewohner aus den Häusern über der Grabstätte hinaustrieben, sich an die Fenster stellten und filmten oder fotografierten. Eins dieser Fotos ist noch erhalten (Bild 1).

1947 wurde an der Grabstätte ein Ehrenhain angelegt. Im Mittelpunkt der großen, gärtnerisch gestalteten Anlage steht ein Gedenkstein aus rotem Marmor, auf dem eine weiße Marmortafel angebracht ist mit der Inschrift: „Den/Opfern/des/12. April“. Im Sterbebuch der Evangelischen Kirchgemeinde Saalburg von 1945 steht auf S. 181 folgender Eintrag: „62 unbekannte männliche Personen erschossen aufgefunden am Künsdorfer Wege. Erschossen von Angehörigen der SS. Namen und Heimat sind nicht zu ermitteln gewesen, da sie aller Papiere beraubt waren.“ Stimmt diese Zahl, müssen in einigen der 56 Särge mehrere Tote bestattet worden sein. Auf dem Gelände am Ehrenhain existiert noch ein zweiter Stein mit folgender Inschrift: „Hier ruhen / 64 Menschen / Die auf dem Marsch aus dem KZ Buchenwald 1945 / zusammenbrachen / Und ermordet wurden“. Die Zahl 64 geht auf den Nachkriegsbürgermeister Karl Schmidt zurück, der sie in der oben erwähnten Schülerarbeit erwähnt, für die er interviewt wurde – allerdings 20 Jahre später. In den zeitnahen Quellen ist immer von 62 Toten die Rede. So auch in einem Brief Schmidts an den Landrat des Kreises Schleiz vom 4. März 1946: „Dabei wurden 62 Häftlinge durch Kopfschuss ermordet und am Straßenrad liegen gelassen. Diese Opfer wurden vom Volkssturm an Ort und Stelle verscharrt. Es handelt sich um 62 Opfer unbekannter Nationalität. Die Mörder dieser Opfer sind uns ebenfalls unbekannt.“

Der Ehrenhain Saalburg soll in den nächsten Jahren saniert werden. Bleibt zu wünschen, dass durch die Sanierung wie auch durch den vorliegenden Beitrag die Erinnerung an die unschuldigen Opfer der Todesmärsche bewahrt bleibt. 

Mit einem „Marsch des Lebens“ wurde am 12. April 2015 den Opfern der Todesmärsche 70 Jahre zuvor gedacht. Veranstalter war ein Initiativkreis von Christen um Erika Beilschmidt aus Rödersdorf und Susanna Fischer aus Kulm. Die Marschroute führte sternförmig von Möschlitz, Ebersdorf und Künsdorf nach Saalburg, wo am Ehrenhain eine Abschlussveranstaltung mit 170 Teilnehmern stattfand. Unter ihnen war der Holocaust-Überlebende Davyd Rozenfeld (1931–2018), der 1941 als Zehnjähriger selbst einen Todesmarsch in der Gegend von Odessa überlebte. Herr Rozenfeld streckte durch seine Teilnahme und seine Worte die Hand zur Versöhnung aus.